Die „Malweiber“ von Hiddensee

Fast vergessen sind sie, die 16 Frauen vom „Hiddenseer Künstlerinnenbund“, den Henni Lehmann und Clara Arnheim 1922 in Vitte gründeten.

Hiddensoer Künstlerinnenbund

Mit einem Rucksack voller Farben, einer Staffelei und einem Block gingen sie in die Natur. Ein Plätzchen mit einem schönen Blick wurde ausgespäht, ein kleiner Hocker unter einem Sonnenschirm positioniert und der Pinsel oder der Kohlestift gezückt – und gemalt und gezeichnet, was vor die Staffelei kam. Motive gab es viele, wie die weite Küstenlandschaft, das Meer, die Dünen oder die kleinen Fischerkaten. Damals saßen Clara Arnheim, Elisabeth Büchsel, Henni Lehmann und Julie Wolfthorn im luftigen Outfit in der Natur.

Elisabeth Büchsel auf Hiddensee

Das Mieder hatten sie zuhause gelassen, war es doch viel zu eng und zu warm für das Malen im Freien. Elisabeth Büchsel ging sogar in Hosen in die Natur – damals aufsehenerregend. Die Insulaner trauten ihren Augen nicht. Die Kunstwelt kannte solche Malszenen im Freien von dem Postimpressionisten und Südseefan Paul Gauguin oder von dem Impressionisten Vincent van Gogh aus dem fernen Frankreich.

Käthe Loewenthal - Boote im Hafen von Vitte

Doch die Hiddenseer hatten es nun nicht nur mit irgendwelchen verrückten Künstlern zu tun, sondern auch noch mit Weibern, die sich anstatt sich um Kind und Familie zu kümmern, an den Strand setzten um zu malen. Dabei musste die Ostseeinsel für die Künstlerinnen am Anfang des 20. Jahrhunderts so etwas gewesen sein, wie die Südsee für Gauguin.

Achtung, die Malweiber kommen

Das „söten Lännekens“ war ein genauso begehrtes Ziel wie Ahrenshoop oder Worpswede. Landschaftsmalerei in der Natur war en vogué. Der schnelle Wechsel des Wetters, der Zug der Wolken und der Wandel von Licht und Schatten, faszinierte alle Künstler gleichermaßen. Auch die Inselbewohner und ihre Kinder eigneten sich bestens für Charakterstudien. Noch heute hängen bei manchem Insulaner die Bilder an der Wand, die die Großmutter als kleines Mädchen zeigen – gemalt von einer der Künstlerinnen, die auf Hiddensee unterwegs waren.

Katharina Bamberg - Steilküste auf Hiddensee

Die „Malweiber“, wie sie die Männer der Kunstkritik gern abschätzig nannten, gaben sich trotz alldem sehr selbstbewußt. Sie versuchten bereits um 1900 ihre künstlerische Weiterentwicklung voran zu treiben. Auch wenn das mitunter nicht so leicht war und oft von jeweiligem Vermögen der Familie abhing. Eine akademische Ausbildung war Frauen zudem bis 1919 verwehrt. Wer Malerin werden wollte, ging deshalb in eine private Zeichen- und Kunstschule, die oft von einem Künstler geführt wurde.

Hiddenseer Künstlerinnenbund wurde 1922 gegründet

Frauen, die nicht über das nötige Kleingeld verfügten, kam daher das Leben und Arbeiten jenseits der Großstadt, in einer ländlichen Künstlerkolonie entgegen, da der Lebensunterhalt hier nicht so teuer war. Zudem konnten Studien direkt in der Natur betrieben werden. Die allein stehende Malerin Clara Arnheim aus Berlin kam viele Sommer nach Hiddensee. Sie wohnte bei Mühlen- und Bäckermeister Schwartz in Vitte.

Clara Arnheim - Strand bei Vitte

Schräg gegenüber logierte zur gleichen Zeit die Malerin Henni Lehmann, die aus einer wohlhabenden Familie aus Berlin stammte. Beide gründeten 1922 den „Hiddenseer Künstlerinnenbund“ und unternahmen so einen bewußten Schritt in die Öffentlichkeit. Ihnen schlossen sich zwölf weitere Künstlerinnen an, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts nun schon regelmäßig zum Malen auf die Insel kamen.

Julie Wolfthorn - Strand bei Vitte

Mit dabei waren unter anderem auch die Stralsunderin Elisabeth Büchsel (1867-1957) und die in Thorn geborene Julie Wolf (1864-1944), die den Künstlernamen Wolfthorn annahm. Alle Frauen, die diesem „Hiddenseer Künstlerbund“ angehörten, sind in der heutigen Kunstgeschichtsschreibung so gut wie gar nicht vertreten. Viele ihrer Werke sind zudem verschollen, zerstört oder befinden sich in Privatbesitz.

Kunst gegen Naturalien

Doch ein Haus ist heute auch noch ab und an geöffnet. Auch wenn es keine Werke seiner ersten Besitzerin mehr zeigt, erinnert es immer noch an sie: „Die Blaue Scheune“. Sie diente Henni Lehmann als Atelier und wurde regelmäßig als Ausstellungsraum von allen Malweibern genutzt.

Die Blaue Scheune - Hiddensee

Und damit auch keiner das Haus übersah, entschied sich die vielseitige Künstlerin dazu, der Kate einen blauen Anstrich zu geben, der bis heute immer wieder erneuert wird. Wer eine Spurensuche aus eigener Faust unternehmen will, findet nicht viel auf der Insel. Im Heimatmuseum in Kloster erinnern ein paar Biographien und Abbildungen an die Hiddenseer Malweiber. Eine von ihnen war Elisabeth Büchsel, die von 1907 bis 1952 regelmäßig im Sommer auf die Insel kam. Die kecke Büchsel, die sich gegen eine Familiengründung entschied, um ihren Weg als Künstlerin gehen zu können, lebte stets in bescheidenen Verhältnissen. Sie wohnte auf Hiddensee mit den Fischerfamilien zusammen und tauschte gerne Naturalien wie Kuchen, Eingemachtes oder Kohlen gegen Kunst, sie nannte diese Werke ihre „Brotbilder“.

Elisabeth Büchsel - Ernte auf Hiddensee

Clara Arnheim

Die Künstlerinnen engagierten sich sozial

Als Büchsel ihr Erbe ausbezahlt bekam, entschloß sie sich dazu, einer Familie in Vitte ein Darlehen zu gewähren, damit sie ihr Haus ausbauen konnte. Als Gegenleistung verlangte sie lediglich zwanzig Jahre lang ein mietfreies Zimmer. Selbstverständlich konnte dieses während ihrer Abwesenheit auch vermietet werden. Auch die Gründerin des Künstlerinnenbundes Henni Lehmann gab ein Darlehen. Sie war schon immer sozial engagiert und hatte bereits 1913 den Insulanern Geld für den Bau eines Arzthauses geliehen.

Marta Mischel - Strand

Die Malweiber hielten Hiddensee demnach nicht nur im Bilde fest oder porträtierten den Alltag, sie wurden im Laufe der Jahre auch ein wichtiger Bestandteil der Inselgemeinschaft. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde dem Treiben der Malweiber ein Ende gesetzt und der „Hiddenseer Künstlerinnenbund“ 1933 aufgelöst.

Elisabeth Andrae - Am Strand von Vitte

Das Buch über die Malweiber und die Führungen „Auf den Spuren der Malweiber“ von Marion Magas ist ein erster Ansatz, sich der Malweiber auf Hiddensee zu erinnern. Es bleibt zu hoffen, daß weitere Forschungsarbeiten und auch Ausstellungen folgen werden und alle Frauen des Hiddenseer Künstlerinnenbundes zumindest einen Eintrag in einschlägige Künstlerlexika erhalten.

Julie Wolfthorn - Malweib auf Hiddensee

Die 16 Frauen des Hiddenseer Künstlerinnenbundes:

Henni Lehmann (1863-1937)
Clara Arnheim (1865-1942)
Elisabeth Büchsel (1867-1957)
Käthe Loewenthal (1878-1942)
Dorothea Stroschein (1883-1967)
Bertha Dörflein-Kahlke (1875-1964)
Elisabeth Andrae (1876-1945)
Helene Lottberg (1901-1986)
Elisabeth Büttner (1853-1934)
Katharina Bamberg (1873-1966)
Gertrud Körner (1866-1931)
Martel Schwichtenberg (1896-1945)
Augusta von Zitzewitz (1880-1960)
Julie Wolfthorn (1864-1944)
Marta Mischel (1869 Gablonz (Böhmen) – 1938 Meißen)
Margarete Macholz (1874 Graudenz – 1965 Dresden)

Augusta von Zitzewitz - Am Nordstrand von Hiddensee

Quelle: Text von Marion Magas (www.hiddenseekultur.de)
Abbildungen: Bilderbestand Galerie „DER PANTHER“ – fine art


Galerie "DER PANTHER" - fine artDie Galerie „DER PANTHER“ – fine art

widmet sich hauptsächlich Werken des Deutschen Impressionismus, Expressionismus und der Klassischen Moderne.

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