Neben dem bereits veröffentlichten Artikel zur Münchner Künstlerin Anna Klein, dürfen wir Ihnen heute einige weitere Ergänzungen vorstellen.
Anna Klein (* 16. Februar 1883 in Nürnberg; † 25. November 1941 im Ghetto Kowno)
Der größte Teil der noch existierenden Ölgemälde und Radierungen Anna Kleins befindet sich in einer privaten Sammlung im Raum München, die durch die Galerie “DER PANTHER” – fine art mit Sitz in Freising betreut wird. Da es für die Werke von Anna Klein bisher keinen registrierten Nachweis gibt, hat sich die Galerie zur Aufgabe gemacht, ein Werkverzeichnis zu den Werken von Anna Klein vorzubereiten, und dieses für die Zukunft als „Offenes Werkverzeichnis“ zu führen. Offen deshalb, um sukzessive – u.a. neben den bisher als verschollen geltenden und in den letzten Jahren wieder aufgefundenen Gemälden oder weiteren Werken im Privatbesitz – ein historisch valides Verzeichnis zu entwickeln, das künstlerischer Recherche hinsichtlich der Authentizität des Schaffens von Anna Klein standhält.
Wie umfangreich ihr Werk tatsächlich ist, wird sich wohl nie ermitteln lassen. Jedoch betrachtet die Galerie diesen Ansatz als respektvolle Möglichkeit das künstlerische Schaffen von Anna Klein zu ehren und für jedermann zugänglich zu machen. Im Zusammenhang mit der Erstellung des Werkverzeichnisses ermutigen wir jeden Eigentümer von Bildern von Anna Klein sich mit uns in Verbindung zu setzen, um eine kontinuierliche Erweiterung des Verzeichnisses sicherzustellen.
Gestaltet sich bereits die Suche nach Werken von Anna Klein äußerst mühsam, so ist eine erfolgreiche Recherche zu weiteren als den bereits bekannten Daten nahezu unmöglich.
Auf dem Weg in die Vergangenheit stießen wir jedoch auf den sehr empfehlenswerten Titel „Das kleine Nürnberg-Buch“von Johannes Wilkes (1).
In diesem Buch beschreibt Wilkes in dem Kapitel „Drei besondere Frauen“auch Anna Klein, und es freut uns, Ihnen daraus eine – wie wir finden – etwas „andere“ und sehr lebendige biografische Darstellung zur Künstlerin vermitteln zu können:
„Ein Sprung in die Moderne, ins späte 19. Jahrhundert. Nürnberg hat sich zu einem Zentrum der Industrialisierung entwickelt, Aber auch der Handel blüht wieder wie einst in den schönsten Zeiten. Mit einem Produkt ist man sogar Weltmarktführer. Keine andere Stadt, die so intensiv mit Hopfen handelt. Wer beschreibt das lebhafte Treiben im Spätsommer, wenn die Fuhrwerke aus dem Umland, aus der Spalter Gegend, aus Hersbruck, Lauf und Altdorf, den Hopfen anliefern, wenn die Darrenarbeiter die Ballen schleppen, wenn die Schwefeldämpfe aufsteigen und die ganze Lorenzer Altstadt in gelben Nebel hüllen. Besonders rund um die Mauthalle und entlang der Karolinenstraße reiht sich ein Geschäft an das andere, müssen die Ballen mit der kostbaren Frucht sogar auf der Straße gestapelt werden.
Der größte Teil des Hopfenhandelns liegt in jüdischer Hand. Auch der Vater von Anna Klein, der zum evangelischen Glauben übergetreten ist, handelt mit dem grünen Gold und auch mit Wein, ist damit wohlhabend geworden. Anna, sein drittes Kind, ist im Februar 1883 in Nürnberg geboren. Als sie sechs Jahre alt wird, erreicht der Nürnberger Hopfenhandel seinen Höhepunkt, 82.000 Zentner werden umgeschlagen. Früh zeigt sich das Talent des Mädchens zum Zeichnen und Malen, reich sind die Anregungen in der quirligen Großstadt. Die Liebe zur Kunst wird immer größer, wird übermächtig. Als Anna mit 17 Jahren die Schule verlässt, hat sie nur einen Wunsch: Sie will Malerin werden! Ihre Familie unterstützt sie, nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der junge Frauen mit solchen Ideen noch schräg angesehen werden. So packt Anna Klein ihre Koffer und geht nach Dachau. Es ist das Jahr 1900. In Dachau ist eine Künstlerkolonie entstanden, Ein bayerisches Worpswede. Viele junge Leute zieht dies hinaus aus den Städten, in denen die Schlote rauchen, Sie wollen auf dem Land das echte Leben, das echte Licht finden, Motive aus dem bäuerlichen Jahreskreis. Anna Klein meldet sich bei einer Privaten Malschule an;
Freiluftmalerei in Dachau (4)Hans von Hayek mit Malschülerin im Dachauer Moos (4)
Hans von Hayek, ein junger Wiener, wird zu ihrem Lehrer. Einer seiner Schüler erinnert sich: „ Im Sommer kamen zahlreiche Schüler und Schülerinnen zu ihm, die dann entweder im Atelier oder im Freien nach der Natur Ihre Studien machten. So sah man dann in den verschiedenen Teilen der so abwechslungsreichen Dachauer Landschaft im Moos, an der Amper, in den Wiesen, um einen schönen Baum herum gruppiert, die Maljünger und >Malweiber<, wie damals die Malerinnen allgemein bezeichnet wurden, stehen oder sitzen und malen, oft sehr zum Ärger der Bauern, denen dabei das Gras zertrampelt und oft auch mit den Ölfarbresten verunreinigt wurde.“
Anna Klein ist zu einem >>Malweib<< geworden. Ihr Lehrer lenkt ihren Blick auf die einfachen Dinge: eine Schafherde an einem Altwasser, die Hütten der Torfstecher, die Moosdisteln, eine Holzbrücke über die Amper. Man will den Augenblick festhalten, eine besondere Stimmung des Lichts, impressionistische und naturalistische Studien. Manche eben die Malerei wieder auf oder betreiben Sie nur als Zeitvertreib. Nicht so Anna Klein. Nach zwei Jahren geht sie nach Baden, nach Karlsruhe, nicht an die berühmte Großherzogliche Kunstakademie, wo man nur als Mann eine Chance bekam, sondern erneut an einer private Malschule.
Großherzogliche Kunstakademie in Karlsruhe (5)
Neben Tierdarstellungen und Landschaftsmalerei beschäftigt sich die junge Künstlerin auch mit Illustrationen und dem Anfertigen von Exlibris, besucht ab 1903 die Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, das >>künstlerische Verständnis in Frauenkreisen immer mehr zu entwickeln<<, und ist eine der ersten Adresse für Künstlerinnen in Deutschland. Auch Gabriele Münter und Käthe Kollwitz haben sich dort eingeschrieben. Den Schülerinnen wird die Freiheit zugestanden, ihre Lehrer selbst zu wählen, auch das Malen in der freien Natur ist möglich und wird gefördert.
Allmählich findet Anna Klein zu ihrem eigenen Malstil. Besonders animiert wird sie durch eine Reise in die Niederlande, die sie zusammen mit anderen Kunststudenten unternimmt; wieder ist Hans von Hayek ihr Lehrer. Großformatige Bilder entstehen: Bauern und Fischer bei ihrer alltäglichen Arbeit, der weite Himmel über dem flachen Land, das nur durch Baumgruppen und die Hollunderhäuser strukturiert wird, Enten auf einer verregneten Dorfstraße, eine frühlingshafte Allee, durch die ein Schäfer seine Tiere treibt. Mit sicherem Gespür bildet die junge Nürnbergerin ab, wie Menschen und Tiere mit der Landschaft verschmelzen, in ihr aufgehen, wie die Kontraste sich auflösen. Aber auch die Details interessieren sie: die ländliche Tracht der Mägde, ihre farbigen Schürzen, die nackten Füße in den Holzschuhen.
Reich ist die Ausbeute, mit der sie nach München zurückkehrt. Auch in der anatomischen Darstellung will sie sich nun üben, will besonders die Tiere noch lebendiger darstellen. Einen Mann gibt es in München, der den Tieren eine besondere Seele einhaucht, der die natürliche Eleganz ihrer Bewegung einfängt wie kein zweiter. Anna Klein schreibt sich in seinen Malkurs ein, ist überrascht von der Dynamik, der Farbigkeit, mit der ihr neuer Lehrer alle Kreaturen darzustellen weiß, staunt über einen Panther, der einen Stier anspringt. Obwohl nicht naturalistisch dargestellt, stimmt doch jeder Pinselstrich, ist die Anspannung jeder Sehnen, jedes Muskels zu spüren. Franz Marc ist einer der außergewöhnlichsten unter den Münchner Künstlern.
Von der Kunst jedoch leben, wer kann das schon? So beschließt Anna Klein sich zur Lehrerin ausbilden zu lassen, besucht Kurse für das Zeichenlehramt an der Königlichen Kunstgewerbeschule in München, macht 1910 ihren Abschluss und bietet private Zeichenstunden an. Im Stadtteil Gern, in dem sie lebt, gründet sie mit einer Freundin eine eigene Schule, vertieft sich dazu in die Technik des Linol- und Holzdrucks, widmet sich auch der Gebrauchsgrafik.
Anna Kleins Wohnanschrift von 1909 bis 1933 lautete: München, Wilhelm-Dürr-Straße 15, wo möglicherweise auch ihre Zeichenschule untergebracht war.
Im Jahr 1914 ein erster großer Erfolg. Auf der Weltausstellung für Buchgewerbe und Grafik wird sie eingeladen, eigene Arbeiten zu präsentieren. Weitere Ausstellungen schließen sie an. Im berühmten Münchner Glaspalast nahe dem Alten Botanischen Garten stellt sie mehrfach aus, Ölgemälde, Landschaften und Genrebilder, auch Grafiken. Im Jahr 1927 dann eine Einzelausstellung in Berlin. Und doch geht es Anna Klein nicht gut, Schatten fällt auf ihr Leben. Schleichend hat sich eine heimtückische Krankheit in ihrem Körper eingenistet, die Bewegungen werden immer schmerzhafter, die Gelenke sind oft geschwollen und gerötet. Die Ärzte diagnostizieren Rheumatismus. Doch Anna Klein lässt sich nicht unterkriegen, sie malt und betreibt auch ihre Zeichenschule weiter.
Schlimmer noch als das Rheuma ist eine andere Krankheit, eine Krankheit der Zeit.
Ein anderer Münchner Künstler, der es nur zum Postkartenmaler gebracht hat, wiegelt die Menschen auf, geht auf die Straße, hält Hetzreden, sammelt mehr und mehr Anhänger um sich. Als Hitler es tatsächlich schafft, an die Macht zu gelangen, als er Reichskanzler wird, geht er mit brutaler Härte gegen unschuldige Menschen vor, besonders gegen die Juden. Dass Anna Klein getaufte Christin ist, spielt für ihn keine Rolle.
Nicht auf das Bekenntnis kommt es an, nur auf die Abstammung. Anna Klein stammt aus einer jüdischen Familie, also ist sie Jüdin, wird darum aller ihrer Rechte beraubt. Die Nazis schließen 1933 ihre Zeichenschule, zwingen sie zur Arbeit in einer Matratzenfabrik. Wie die anderen Juden muss sie den gelben Stern tragen, darf die Straßenbahn nicht benutzen, muss sich zu Fuß von Gern nach Haidhausen schleppen. 1941 fährt ein Auto vor, Anna Klein wird inhaftiert.
April 1933, München (7), SA-Angehörige beim Kleben von Boykottplakaten vor einem jüdischen Geschäft in München
Eine lange Zugfahrt nach Osten. Eingepfercht wie die Tiere werden Menschen quer durchs Deutsche Reich transportiert, durch das besetzte Polen nach Litauen. In der Stadt Kaunas hat die SS ein Ghetto errichten lassen, alle Juden werden dort hineingetrieben, ein ganzer Stadtteil ist mit hohem Stacheldraht umgegeben, wie ein Käfig für wilde Tiere. In dieses Ghetto sperrt man Anna Klein, fünf Tage verbringt sie dort. Dann wird sie erschossen.
Transport inhaftierter Juden in das KZ Kaunas (Litauen)
Was von ihr bleibt, sind ihre Werke. Wundervolle Bilder sind darunter, Landschaften von melancholischem Zauber, aber auch anrührende Szenen aus dem Alltag, zufällige Begebenheiten, liebevoll wiedergegeben.“
Ausschnitte aus dem Werkverzeichnis zu der Künstlerin Anna Klein (2)
Die Galerie „DER PANTHER“ – fine art setzt sich aktiv ein – unterstützt von der Initiative Stolpersteine für München e.V. – für die Legung und somit für die Übernahme der Patenschaft eines Stolpersteins zum Gedenken der Münchner Künstlerin Anna Klein.
Quellen:
(1)„Das kleine Nürnberg-Buch“; von Johannes Wilkes (E-Books, ars vivendi verlag, Cadolzburg, 1. Auflage September 2016, Position 1014 bis 1070)
(2) Abbildungsmaterial von Werke der Künstlerin Anna Klein: Galeriebestand Galerie „DER PANTHER“ – fine art sowie Werke aus betreuter Kunstsammlung (Raum München). (3) Titelbild: 1908 war Anna Klein Teilnehmerin an einem von Franz Marc angebotenen Anatomiekurs. Auf einem Foto aus dem gleichen Jahr sieht man sie, neben dem Maler und seiner späteren Ehefrau Maria Franck, unter der wandfüllenden Zeichnung Panther, der einen Stier anspringt sitzen.; Privatarchiv Erich Wimmers (4) Fotos: Stadtarchiv München
(5) Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe
(6) Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933 – 1945; Stadtarchiv der Landeshauptstadt München
(7) April 1933, München (4), SA-Angehörige beim Kleben von Boykottplakaten vor einem jüdischen Geschäft in München ; Bildarchiv Preussischer Kulturarchiv.
Die Galerie „DER PANTHER“ – fine art widmet sich hauptsächlich Werken des Deutschen Impressionismus, Expressionismus und der Klassischen Moderne.
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