(auch Wolf-Thorn, geborene Wolf oder Wolff; * 8. Januar 1864 in Thorn, Westpreußen; † 29. Dezember 1944 im Ghetto Theresienstadt) war eine deutsche Malerin und Grafikerin.
Julie Wolfthorn war Mitglied im „Hiddenseer Künstlerinnenbund“, welcher 1922 durch Henni Lehmann in der Blauen Scheune auf Hiddensee gegründet wurde.
Leben:
Julie Wolfthorn wurde unter dem Namen Julie Wolf(f) als Kind einer bürgerlichen jüdischen Familie in Thorn geboren. Ab 1890 studierte sie Malerei und Grafik in Berlin, nach einem Aufenthalt in Paris kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie jahrzehntelang in der Kurfürstenstraße 50 lebte (das Haus existiert nicht mehr). 1898 wurde sie – als eine von nur vier Frauen – Gründungsmitglied der Berliner Secession. Seit 1898 war sie im „Verein der Künstlerinnen und Kunstfreunde Berlin“.
Julie Wolfthorn 1906, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv Kester.
Julie Wolfthorn war als Mitglied des KVM („Künstlerinnenvereinigung München“) eingetragen (der KVM wurde 1882 gegründet und unterhielt ab 1884 eine eigene Damenakademie). Auch war Julie Wolfthorn u.a. in den Jahren 1894, 1895, 1900 bis 1904 an den Jahresausstellungen im Münchner Glaspalast aktiv mit einigen Werken beteiligte. Ab ca. 1897 publizierte sie zudem regelmäßig in der Münchner Kulturzeitschrift „Jugend“ und war regelmäßig Gast in der Künstlerkolonie Dachau.
1904 heiratete sie den Kunsthistoriker und -kritiker Rudolf Klein. Im Jahre 1905 gründete sie zusammen mit Berliner und Münchner Künstlerinnen die Ausstellungsgemeinschaft „Verbindung Bildender Künstlerinnen Berlin – München“.
Julie Wolfthorn wurde vor allem durch ihre Portraitmalerei bekannt. Sie portraitierte Ida Dehmel, Richard Dehmel, Olga Hempel, Marlene Dietrich, Carl Ludwig Schleich, Hedda Eulenberg, Gerhart Hauptmann (im Doppelporträt mit seiner Frau Margarete), Gabriele Reuter, die Familienmitglieder des schreibenden und übersetzenden Paares Hedwig Lachmann und Gustav Landauer, die Familie des Architekten Hermann Muthesius, den Arzt Salomon Neumann, die Opernsängerin Irmgard Scheffner, viele Schauspielerinnen wie Tilla Durieux oder Carola Neher – und hunderte andere berühmte Zeitgenossen, vorwiegend aus der Berliner Gesellschaft, darunter besonders viele engagierte Frauen.
„Frühling in Paris“
Öl auf Leinwand
ca. 93 x 63,5 cm (o. R.)
sign. u. L. „Julie Wolfthorn“
um 1897
Eines der sehr wenigen Werke, welches die Künstlerin während ihres Studiumsaufenthalts in Paris (Privatakademie Colarossi) zw. 1892 – 1898 gemalt hat und bis heute erhalten blieb bzw. bekannt ist.
Ähnlich wie das Werk „Bildnis der Frau Konsul A. (Ida Dehmel)“ zeigt auch dieses Bild den Einfluß der Begegnung Wolfthorns mit dem Maler Giovanni Boldini im Jahr 1997 in Paris.
„Portrait Tilla Durieux“
Mischtechnik auf Malpappe
ca. 35 x 25 cm
sign. u. L. „Julie Wolfthorn“
um 1905
Werk im bewussten Stil der Zeitschrift „Jugend“ / München
Tilla Durieux, eigentlich Ottilie Godeffroy, (* 18. August1880 in Wien; † 21. Februar1971 in West-Berlin) war eine österreichische Schauspielerin und Hörspielsprecherin. Auch wenn sie nicht „gefällig“ war – es gibt wohl keine Schauspielerin, die so vielen berühmten Malern Modell stand. Hierbei hervorzuheben sind u.a. Auguste Renoir, Max Oppenheimer, Emil Orlik, Oskar Kokoschka, Lovis Corinth, Max Liebermann, Max Slevogt oder Franz von Stuck . 1910 heiratete sie in zweiter Ehe den Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer, der in seinem Kunstsalon am Tiergarten die französischen Impressionisten und die Malerei der Moderne ausstellte.
Ausstellungsbeteiligung / Abbildungen / Literatur:
Auch im Jahre 1905 unterzeichneten Julie Wolfthorn und über 200 Künstlerinnen eine Petition mit der Forderung zur Zulassung an der Preußischen Akademie der Künste, die von dem Akademiedirektor Anton von Werner abgelehnt wurde.
„Heinz-Lux Auerbach-Dehmel“
Pastell auf Papier
ca. 18 x 14 cm
sign. u. R. „Julie Wolfthorn“
ca. 1902
In mehreren Briefwechseln (zw. 1902 – 1910) zwischen Julie Wolfthorn und Ida sowie Richard Dehmel wurde eine „kleine Pastellskizze“ des Sohnes Heinz-Lux erwähnt. Nach Vergleich mit dem verfügbaren Fotomaterial aus dem Nachlass der Familie Dehmel kann man davon ausgehen, dass es sich hierbei um das besagte Werk handelt.
DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION
BAND XIII, Oktober 1903 —März 1904.Verlagsanstalt Alexander Koch in Darmstadt
Malerin Julie Wolfthorn—Berlin
Ein Name, der vielen unserer Leser noch ziemlich unbekannt sein dürfte, denn seine Trägerin ist bisher trotz ihres schon jetzt sehr beachtenswerten Könnens nur in engeren Kreisen, für die sie schuf, zu der ihr auch darüber hinaus wohl zu wünschenden Anerkennung gekommen. Über das bisherige Leben der Künstlerin ist wenig zusagen; sie zählt zu jenen Naturen, die es nicht lieben, von sich reden zu machen, bevor sie ihr Ziel erreicht haben, die aber gegebenen Falles fühlbar bekunden, dass sie nicht zu übersehen sind. Und Julie Wolfthorn hat ein Recht dazu, so aufzutreten, hat sie doch so manche ihrer Kunst-Schwestern hinter sich gelassen, die den Freibrief für echte Kunst schon in der Tasche zu haben glaubten — aber doch nur bessere Dilettanten blieben.
Julie Wolfthorn tritt unserm Leserkreise hier zum erstenmale mit einer Reihe von Gemälden näher, von denen jedes einzelne eine Leistung ist, die nicht nur durch ein fleissiges Studium, sondern vor allen Dingen durch ein starkes Talent gezeitigt werden. Schöpfungen, die sich so vornehm und vollinneren Wertes als reife Kunstwerke über Alltags-Arbeiten hinaus erheben, sind Weg-Steine eines heissen Ringens, eines noch Grosses verheissenden Künstler-Lebens. Julie Wolfthorn bereitete sich in Berlin vor und besuchte dann die Academie Colarossi zu Paris, anschliessend hieran beiGustave Courtois für sich kurze Zeit arbeitend. Daran schloss sich ein längerer Land-Aufenthalt in Frankreich, wohin sie ein geeignetes Modell mitnahm, um völlig selbständig und viel im Freien zu arbeiten, häufig in Ge-meinschaft mit Kollegen. Das Können der Künstlerin trägt einen fast männlichen Zug, ohne jedoch jener Grazie zu entbehren, die sie hoch über die banalen Malereien der Mann-Weiber erhebt. Zur Zeit dürfte das Porträt grossen Stils, wie es uns in der Schriftstellerin Hedwig Lachmann, in ihrem Bruder-Bildnis, vor allen Dingen aber in der »Fechterin« entgegentritt, ihre seltene Begabung für das Seelische am besten bekunden. In dieser Fechterin liegt eine unbewusste Verschmelzung van Dyckscher und Velasquezscher Kunst. Das Bild wäre würdig, eine unserer öffentlichen Galerien zu schmücken; nur dürfte die Künstlerin durch eine solche Ehrung nicht verführt werden auf weitere Erfolge zu verzichten, denn ihr dürfte noch Grösseres gelingen, o. sch.—k
1906 gründete sie mit Käthe Kollwitz die Ausstellungsgemeinschaft „Verbindung Bildender Künstlerinnen“, 1912 wurde sie mit Käthe Kollwitz in den Vorstand und die Jury der Secession gewählt, 1933 wurde sie mit Fanny Remak aus dem Vorstand ausgeschlossen, die nach England emigrierte. Julie Wolfthorn blieb in Berlin und arbeitete mit dem Kulturbund Deutscher Juden zusammen. 1941 wurde der Kulturbund verboten, die Mitarbeiter verhaftet und das Vereinsvermögen beschlagnahmt.
Das Foto zeigt Julie Wolfthorn – als einzige ohne Hut – vor mehreren ihrer Werke in den Räumen des Lette-Vereins (1866 gegründet von Wilhelm Adolf Lette – „Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“ in Berlin).
„In den Straßen von Berlin“
Mischtechnik auf Malgrund
signiert u.r. „Julie Wolfthorn“
ca. 40 x 30 cm
Entstehung um 1905
Ausstellungsbeteiligung / Abbildungen / Literatur:
„Portrait Olga Hempel“
Öl auf Leinwand
signiert und datiert. „Julie Wolfthorn, Paris 1912“
rückseitig bezeichnet mit Olga Hempel
Provenience: Frau Irene Gill (Oxford)
Olga Hempel war eine der ersten Ärztinnen in Deutschland. Sie studierte in Freiburg, Heidelberg, Breslau und zog anschließend mit ihrem Ehemann und Kindern nach Berlin. Dort arbeitete sie zunächst in einer Berliner Klinik und eröffnete später eine eigene Praxis in Ferch am Schwielowsee. 1938 zog sie zu ihrer Tochter nach Persien und machte sich 1946 zu ihrer letzten Lebensstation auf, in die USA, wo sie 1954 starb. Olga Hempel war eine Cousine der Berliner Malerin Julie Wolfthorn (1864-1944), die oft in Ferch weilte und malte und die über 40 Jahre ihres Lebens in der Kurfürstenstraße 50 gelebt hat. Julie Wolfthorn, 1864 als Julie Wolf in Thorn geboren, wurde 1942 interniert und nach Theresienstadt deportiert und verstarb 1944. Zusammen haben die beiden Frauen Julie Wolfthorn und Olga Hempel eine gemeinsame Zeit in Paris verbracht, worüber Olga Hempel in ihren Lebenserinnerungen ausführlich schrieb, ebenso über ihre Berliner Zeit.
Text: Irene Gabriele Gill: “Olga Hempel – Eine lebendige Stimme aus der Vergangenheit”
Ausstellungsbeteiligung / Abbildungen / Literatur:
Am 28. Oktober 1942 wurde Julie Wolfthorn im Alter von 78 Jahren zusammen mit ihrer Schwester Luise Wolf mit dem „68. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort zeichnete sie, so weit ihr das unter den Umständen möglich war. Sie überlebte hier zwei Jahre und verstarb wenige Tage vor ihrem 81. Geburtstag.
An Julie Wolfthorn erinnert heute der Name einer neuen Straße am Berliner Nordbahnhof.
„Portrait Marlene Dietrich“
Mischtechnik auf Papier
ca. 26 x 21 cm
signiert u.R. „Julie Wolfthorn“
Entstehung zw. 1920 – 1930
Unser Dank zur eindeutigen Zuschreibung sowie Datierung gilt hierbei der
„Deutschen Kinemathek – Marlene Dietrich Collection Berlin“
Ausstellungsbeteiligung / Abbildungen / Literatur:

Weitere Veröffentlichungen zu Julie Wolfthorn:
Julie Wolfthorn – Ausbildung in München und entstandene Werke rund um die Künstlerkolonie Dachau
Julie Wolfthorn – Predigthilfe zum Israelsonntag
Suchmeldung – Portrait der Karla Friedel
WEB-Links (Auswahl):
Julie Wolfthorn war 1898-1933 Mitglied im VdBK, 1931-1933 wirkte sie im Vorstand mit. Wolfthorn beteiligte sich an den Vereinsausstellungen: 1898, 1929, 1930, 1930, 1932 und 1933. Material befindet sich im VdBK-Archiv.
Stolperstein:
Verlegort: Kurfürstenstraße 50, Mitte – Tiergarten, Berlin
Literatur (Auswahl):
„Fortsetzung folgt! 150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen“
Ausstellungspublikation, 25.11.2016 – 24.03.2017, Camaro Stiftung Berlin,
ISBN 978-3932809-81-1
“Künstlerinnen der Moderne – Magda Langenstraß-Uhlig und ihre Zeit”
(Jutta Götzmann (Hg.), Anna Havemann (Hg.), Potsdam-Museum (Hg.) [2015}
„Ein Rucksack voller Farben“ – Künstlerinnen und die Freiluftmalerei
Museum Moderner Kunst – Wörlen Passau; Gabler, Josephine; ISBN: 978-3-928844-64-2
Die Malweiber von Paris – Deutsche Künstlerinnen im Aufbruch
Hrsg. Helga Gutbrod, Erschienen September 2015, ISBN 978-3-7861-2749-9
Hedwig Brenner: Jüdische Frauen in der bildenden Kunst II. Konstanz 2004.
Beate Spitzmüller: Julie Wolfthorn. In: Britta Jürgs (Hg.): Denn da ist nichts mehr, wie es die Natur gewollt. Portraits von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen um 1900. AvivA Verlag, Berlin, 2001, ISBN 3-932338-13-8; S.248-259
Käthe, Paula und der ganze Rest
Ein Nachschlagewerk (Künstlerinnenlexikon), hrsg. v. Verein der Berliner Künstlerinnen e.V., Berlin: Kupfergraben, 1992, S. 185 (Lit.). ISBN 3-89181-411-9
Wie sich die Malweiber die Ostseeküste eroberten
Marion Magas, Eigenverlag 2008, ISBN 978-3-00023779-9.
Hiddensee. Die besondere Insel für Künstler
Ruth Negendanck, edition fischerhuder kunstbuch, Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 2005, ISBN 3-88132-288-4
Quellen:
– Text aus Wikipedia
– Foto “ Académie Colarossi“ : LWL-Museum für Kunst und Kultur (Westfälisches Landesmuseum), Münster/Gerhardi-Archiv (http://www.lwl.org/LWL/Kultur/museumkunstkultur/)
– Stolperstein: Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin
– Beitragsfoto: Titelfoto der L’Illustration, 1908 („Les Nouvelles Merveilleuses“); Die drei (unbekannten) Modelle auf dem Titelblatt der franz. Wochenzeitschrift L’Illustration (1908) sorgten in Longchamps für großes Aufsehen, da die von der Designerin J. Margaine-Lacroix entworfenen Kleider als ungewohnt freizügig und skandalös galten.
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