Alexander Sacharoff und die Münchner Boheme

Alexander Sacharoff (russisch Александр Сахаров, in englischer oder französischer Schreibweise auch Sakharov oder Sakharoff, * 14. Mai / 26. Mai 1886 als Alexander Zuckermann in Mariupol (Russisches Kaiserreich); † 25. September 1963 in Siena) war ein Tänzer, Choreograph, Maler und Pädagoge.

Alexander Sacharoff war letzter von sieben Söhnen der Maria Polianskaja und des Simon Zuckermann. 1898 zog Alexander nach Sankt Petersburg um, um dort eine weiterführende Schule zu besuchen.

Während seines Jura- und Malereistudiums in Paris von 1903 bis 1905 besuchte Sacharoff eine Vorstellung der Schauspielerin Sarah Bernhardt, bei der diese ein Menuett tanzte. Sacharoff beschloss daraufhin, Tänzer zu werden. 1905 ging Sacharoff nach München und nahm dort zunächst Unterricht – in klassischem Ballett ebenso wie in Akrobatik-Unterricht im Schumann-Zirkus.

1909 trat Alexander Sacharoff der Neuen Künstlervereinigung München bei und arbeitete mit dem russischen Maler Wassily Kandinsky (1866–1944) und dem russischen Komponisten Thomas von Hartmann an der Verwirklichung eines synästhetischen Kunstwerks.

„Portrait des Tänzers Alexander Sacharoff“

Künstlerin: Adèle von Finck (1879 – 1943)

Öl auf Leinwand
ca. 64 x 90 cm (o. R.) 
ca. 72 x 98 cm (m. R.)
Signatur rückseitig u. L. „A. v. Finck“ 
Entstehung zw. 1907 – 1910

Preis auf Anfrage

Die Künstlerin Adele von Finck studierte u.a. bei Franz von Lenbach in München und stellte mehrfach im Münchener Glaspalast aus.
Adele von Finck hielt sich in den Jahren 1907- 1910 viel in München auf und genoss beste Kontakte zur den gehobenen, berühmten Künstlerkreisen. Sie wohnte damals unter der Adresse “Südliches Schlossrondel 15“ (Künstlerateliers im Schloss Nymphenburg). Die engen Freundinnen Adele von Fink und Julie Wolfthorn (zu der Zeit für die „Jugend“ und dem „Symplicissimus“ in München tätig) pflegten intensiv den Kontakt zur Boheme in München-Schwabing.
Als einer der angesagtesten Treffpunkte fortschrittlich gesinnter Künstlerinnen und Künstler galt der „rossfarbende Salon“ in der Gieselastrasse 23, welcher durch Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky seit 1896 geführt wurde. Hier wurde 1909 die „Neue Künstler-Vereinigung München“ gegründet, aus der zwei Jahre später der „Blaue Reiter“ hervorging.

Der Künstler Alexander Sacharoff verkehrte regelmäßig in den Kreisen der Münchner Boheme und somit im „rosafarbenden Salon“, ließ sich hofieren und diente u.a. Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter oder auch George Barbier als Modell und Zeichen für den Aufbruch in die Moderne.

Am 2. Juni 1910 gab Alexander Sacharoff in einem von mythologischen Motiven und der Malerei der Renaissance inspirierten Stück sein Debüt als Solotänzer in der Münchner Tonhalle. Sacharoff ist damit vermutlich der erste männliche freie Tänzer in Europa. Im gleichen Jahr debütierte auch Sacharoffs spätere Partnerin und Lebensgefährtin Clotilde von Derp. Von Derp tanzte damals unter der Leitung von Max Reinhardt beispielsweise die erste Elfe im Mittsommernachtstraum am Münchner Künstlertheater. In den folgenden Jahren trat Sacharoff als Solotänzer in ganz Deutschland auf. Außerdem hatte er Auftritte zusammen mit Rita Sacchetto. 1912 kehrte Sacharoff für kurze Zeit nach Russland zurück.

Alexej von Jawlensky, „Bildnis des Tänzers Alexander Sacharoff“, 1909, Öl auf Pappe, 69,5 × 66,5 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München.

1913 begegneten sich Alexander Sacharoff und Clotilde von Derp auf dem Münchner Presseball. Ihr gemeinsames künstlerisches Credo hat Sacharoff 1943 in seinem Buch Réflexions sur la danse et la musique (Viau, Buenos Aires 1943) so formuliert: „… Clotilde Sacharoff und ich tanzten nicht mit Musik oder begleitet von Musik: Wir tanzten Musik. Wir machten die Musik sichtbar, indem wir mit den Mitteln der Bewegung ausdrückten, was der Komponist mit den Mitteln des Klangs ausgedrückt hat… Nichts Anderes als die vom Komponisten erlebten und vermittels seiner Kunst in Klang verwandelten Seelenzustände, Eindrücke, Empfindungen… Unser Ziel war, den von der Klangmusik ausgedrückten Sinn in die Musik der Bewegung zu übersetzen.“

Marianne von Werefkin, „Der Tänzer Alexander Sacharoff“, 1909, Tempera auf Papier auf Karton, 73,5 × 55 cm, Fondazione Marianne Werefkin, Museo Comunale d’Arte Moderna, Ascona.

Als „feindlicher Ausländer“ musste Sacharoff bei Kriegsbeginn 1914 Deutschland verlassen. Das Paar ging deshalb in die Schweiz nach Lausanne, wo Clotilde Ballettunterricht bei Enrico Cecchetti nahm.

Während des Krieges hatten Sacharoff und von Derp zahlreiche Auftritte in der Schweiz. 1919 zeigte das Zürcher Kunsthaus Collagen von Alexander Sacharoff. Ebenfalls in Zürich heiraten am 25. Juli 1919 Clotilde von Derp und Alexander Sacharoff. Edith McCormick Rockefeller finanzierte den beiden ihre erste Tournee in den Vereinigten Staaten.

Am 17. Februar 1920 debütierten die Sacharoffs im New Yorker Metropolitan bei einer Benefiz-Gala. Am 6. April folgte ein Auftritt im New York Globe Theater.

1921 trat das Paar am Pariser Théâtre des Champs-Elysées auf. 1922 folgte ein Erstauftritt in London am Coliseum. Die Sacharoffs ließen sich in Paris nieder.

In den 20er-Jahren reisten die Sacharoffs mit Auftritten durch Europa und in den Mittleren Osten. 1930 kam es zu einer ersten Tournee im Fernen Osten mit Vorstellungen in Shanghai, Peking, Osaka, Tokio, Saigon, der 1934 eine zweite mit Auftritten in der Republik China, dem Japanischen Kaiserreich und auf Java folgte. Direkt nach ihrer Rückreise gingen die Sacharoffs auf Tournee nach Kanada und in die Vereinigten Staaten. Tourneen durch Südamerika mit Auftritten in Havanna, São Paulo, Montevideo und Buenos Aires (Teatro Colon) sowie viele europäische Staaten folgten.

Den Beginn des Zweiten Weltkriegs erlebten die Sacharoffs in Portugal. Da sie nicht in ihre Pariser Wohnung zurückkehren können, ließen sie sich in Lissabon nieder. 1941 emigrierte das Paar nach Südamerika und trennte sich dort. Alexander Sacharoff bezog eine Wohnung in Buenos Aires, Clotilde ging nach Montevideo. Für gemeinsame Tanzprojekte trafen sie sich jedoch auch weiterhin.

Alexander Sacharoff und Clotilde von Derp, 1921 porträtiert von George Barbier

1948 kehrte zunächst Clotilde nach Europa zurück, Alexander Sacharoff folgte ihr später nach Paris. Beide traten wieder gemeinsam im Pariser Théâtre des Champs-Elysées auf. 1952 übersiedelten die Sacharoffs nach Rom und begannen, an der Accademia Musicale Chigiana in Siena zu unterrichten.

1954 gaben die Sacharoffs ihre letzte Vorstellung im römischen Teatro Eliseo. Alexander Sacharoff entwarf nun vor allem Kostüme, daneben gab das Paar Sommerkurse in Siena. 1955 präsentierte die Galleria delle Carrozze in Rom in einer zweiten Ausstellung Sacharoffs Collagen, Bühnen- und Kostümentwürfe.

Alexander Sacharoff starb am 25. September 1963 in Siena. Zusammen mit seiner 1974 gestorbenen Frau liegt Sacharoff begraben auf dem Cimitero Acattolico in Rom.

Quellen:
Text und Werkabbildungen von Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin und George Barbier aus wikipedia, Dez. 2021.

„Portrait des Tänzers Alexander Sacharoff“, Künstlerin Adele von Finck, Galeriebestand „DER PANTHER“ – fine art.

Beitragsfoto: Alexander Sacharoff – Frührenaissance-Tanzstudie, aus Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 30.1912.