Adele von Finck – Hosendame mit jungenhaftem Heißhunger

„Sie scheint klug zu sein. Sie hat vieles gesehen, ich glaube empfindend gesehen. Sie hat in Paris studiert, wie lange? Mit welchem Erfolg? Ich weiß es nicht, jedenfalls möchte ich rasend gern was von ihr sehen.“

Paula_Modersohn-Becker
Paula Modersohn-Becker

Mit diesen Worten weist Paula Modersohn-Becker in ihrem Tagebuch darauf hin, dass während ihres ersten Sommeraufenthaltes in Worpswede 1897 auch ein sehr emanzipiert daherkommendes achtzehnjähriges Fräulein von Finck vor Ort ist. Sie steht, so ist weiter zu erfahren, „in irgend einem Verhältnis“ zu dem „Berliner Maler Klein, ein hübscher Kerl mit weichen, frauenhaften Zügen und feinen, nervösen Händen, im braunen Sammetanzug“. Durch ihn, der abgesehen von dieser Erwähnung in Worpswede keine Spuren hinterlassen hat, dürfte die junge Malerin ins Künstlerdorf gelangt sein, und man traf sich beim gemeinsamen Mittagessen: „Ich war auf sie schon vorbereitet und war also nicht erstaunt, sie in Hosen zu Tisch kommen zu sehen.“ Paula Becker beäugte diese neumodische Inszenierung amüsiert und mit sichtlich kritischer Distanz: „Die Hosendamen, es hat sich noch eine zweite hinzugesellt, beweisen ihre Männlichkeit durch jungenhaften Heißhunger. Es macht mir großen Spaß, diese Individuen innerlich und äußerlich zu betrachten. Ich glaube, sie bilden sich wirklich ein, sie seien nicht eitel und gäben nichts auf Äußerlichkeit. Und doch sind sie auf ihre Hosen stolz wie unsereins auf ein neues Kleid. Ich muss mit den alten Weisen sagen: Es ist alles eitel.“

Heinrich-Vogeler-im-Barkenhoff-1898-Foto-Carl-Eeg

Adele von Finck, die Heinrich Vogeler in seinem großen Karikaturenblatt für die Nachwelt verewigt hat, sie ist, wie viele ihrer Künstlerkolleginnen, heute nur noch schwer zu fassen. Einziges Zeichen künstlerischer Aktivität, die mit dem Aufenthalt in der ländlichen Idylle Worpswedes in Verbindung steht, ist das in der Literatur erwähnte Gemälde „Worpsweder Abend“ von 1904. Wahrscheinlich zog es die junge Malerin schon bald nach Entstehung des Bildes endgültig zurück in das pulsierende Leben der großen Stadt. Hier konnte sie in den von ihr bevorzugten Sujets arbeiten, sich präsentieren und Erfolge für sich verbuchen, die es ermöglichten, selbstbestimmt zu leben. Bekannt sind Ausstellungsbeteiligungen, in Berlin (1903, 1907-13), in Prag (1904), in Hamburg (1908), in München im Glaspalast (1909) und in Darmstadt (1910). Daneben erreichte sie publizistische Außenwirkung durch zeitgenössische Kunstzeitschriften wie „Die Kunst“ und „Westermanns Monatshefte“, in denen Ausstellungsrezensionen und Abbildungen von Gemälden anzutreffen sind.

 Adele von Finck

“Carl Eduard Eeg beim Gitarrespiel”
rückseitig mit Aufkleber und Stempel versehen“Grosse Berliner Kunstausstellung 1. August 1899″;
Öl auf Leinwand

u. re. sign. A.v.Finck
112 x 87 cm (o. R.)
Entstehung zw. 1897 – 1899

Preis auf Anfrage

Der Bremer Carl Eeg war eng befreundet mit Adèle von Finck und Julie Wolfthorn. Ein paar sehr ähnliches Sujets wurden um 1897 von Julie Wolfthorn gemalt.

Carl Eduard Eeg war häufig Gast auf dem Barkenhoff und mit den dortigen Künstlern(-innen) wie Heinrich Vogeler, Otto und Paula Modersohn-Becker, dem Ehepaar Rilke oder auch mit Fritz Mackensen befreundet.

barkenhoff-garten

Geboren am 6.2.1879 in Buenos Aires, ist Adele von Finck, deren familiäre Wurzeln in Sachsen und Danzig liegen, durch internationale Ausbildung vielfältig beeinflusst. In München studierte sie bei Franz Lenbach, in Brüssel bei Frans Portaels. In Paris erhielt sie Unterricht bei Gustave Courtois, nachdem sie Puvis de Chavanne aufgesucht und von ihm eine Empfehlung bekommen hatte. Gleich zu Beginn der Pariser Studienzeit traf sie auf die aus Lübeck gebürtige Malerin Maria Slavona, mit der sie fortan enge Freundschaft verband. 1932 berichtet sie darüber die in einem Essay und stellt sich damit zugleich als Literatin vor. Neben den erwähnten Studienorten hielt sich Adele von Finck verschiedentlich auch in Italien auf. Um 1900 wurde Berlin zu ihrem Lebensmittelpunkt. Hier kam sie am 22.11.1943 bei einem Bombenangriff ums Leben.

Julie Wolfthorn - Portrait von Adele von Finck

“Frauen im Gespräch
rückseitig mit Aufkleber und Stempel versehen ”Grosse Berliner Kunstausstellung”;
Hierbei handelt es sich um das Werk „Frauen im Gespräch“ (Grosse Berliner Kunstausstellung Ausstellung vom 16. Juni bis 30. September 1917, Katalog-Nr. 77)
Öl auf Leinwand
u. re. sign. A.v.Finck
90 x 118 cm (o. R.)

Dieses kunsthistorisch sehr bedeutende Werk stellte auf der linken Seite die Künstlerin Julie Wolfthorn dar, ganz rechts ihre Schwester Li (Luise Wolf). In der Mitte „Frau Professor“ (wie sie zeitgenössisch nach ihrem berühmten Ehemann Peter B. genannt wird)  Lilly Behrens, geb. Krämer. Alle drei waren kurz nach 1900 bereits bekannte und anerkannte kreative, arbeitende Frauen: als Malerin, Schriftstellerin und Literaturübersetzerin bzw. als „Designerin“, wie man Behrens heute nennen würde, die mit ihrer Familie 1907 nach Potsdam zog. Das Mädchen unten links ist Petra Behrens, zu der Julie Wolfthorn ihr Leben lang ein enges Verhältnis pflegte und diese mehrmals portraitiert hat. Man kann davon ausgehen, dass dieses Werk in der gemeinsamen Wohnung von Julie und Luise (Kurfürstenstrasse 50) seinen Ursprung gefunden hat. Auch Adele von Fink war ab 1907 unter der Adresse der Kurfürstenstrasse 50 in Berlin eingetragen und wohnte somit mit beiden Schwestern im selben Haus.

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Julie Wolfthorn: Frau Prof. Lilly Behrens, 1917

Adele von Finck - Vorlesestunde

“Die Vorlesestunde
Öl auf Leinwand
u. l. sign. A.v.Finck
41 x 52 cm (o. R.)

Dieses Werk zeigt auf der rechten Seite „Li“ (Luise Wolf , Schwester von Julie Wolfthorn) ihrer Freundin „Lilly Behrens“ bei Handarbeiten vorlesend.

Das künstlerische Schaffen, das sich hier und da verstreut in unbekanntem Privatbesitz erhalten haben wird, steht generell im Zeichen der Malerei, es finden aber auch gebrauchsgrafische und kunstgewerbliche Arbeiten Erwähnung. Abgesehen von wenigen Landschaften sind Genreszenen, Porträts und üppige, im Arrangement des Bouquets harmonisch ausbalancierte Blumenstillleben vorherrschend, die motivisch und stilistisch der Salonmalerei des späten 19. Jhs. verhaftet sind, hier und da mit Anklängen an Jugendstil und Symbolismus sowie Rückgriffen auf die Präraffaeliten. Einher mit Kompositionselementen und Pinselduktus des französischen Impressionismus bringen die in ihrem Kolorit eng begrenzten Gemälde eine sentimentale Grundstimmung zum Ausdruck, die noch anhält, als die künstlerische Avantgarde längst andere Wege eingeschlagen hat. Exemplarisch hierfür erweist sich das 2005 in einer Auktion in Kopenhagen aufgetauchte „Portraet af en kvinde“, das nach der Kleidung der Dargestellten zu urteilen, in den 1920er Jahren entstand.

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Dass die Malerin sich auch weniger brav äußern konnte, schildert eine Ausstellungskritik von 1906, die ein Blumenstillleben mit weißen Georginen und Perlmutterschalen positiv hervorhebt und mit Blick darauf resümiert, dass Adele von Finck, die „im vergangenen Sommer wegen eines mehr als eindeutigen Bildes in der Künstlerbund-Ausstellung bemerkt wurde, … sich auch auf weniger anstößige Weise als gute Malerin zu empfehlen mag.“ Was damals Aufsehen erregte, würden wir heute nur zu gerne erfahren, doch über den Titel oder gar eine Abbildung schweigt sich der Autor aus. Da an anderer Stelle größere Kollektionen genannt sind, die u.a. in München (Kunstsalon Zimmermann 1909, Kunstverein 1913) und in Berlin (Gurlitt, 1910) stattfanden und „in denen besonders die Darstellungen von Frauenakten auffielen“, wäre denkbar, dass auch 1905 schon ein Frauenakt die Gemüter beunruhigte.

Quelle: Dr. Birgit Nachtwey

 

Literaturhinweise (Auswahl):

  •  „Fortsetzung folgt! 150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen“
    Ausstellungskatalog, 25.11.2016 – 24.03.2017, Camaro Stiftung Berlin,
    ISBN 978-3932809-81-1
  • Killy, Walther (Hrsg.): Dte. Biografische Enzyklopädie Bd. 3, München 1996
  •  Verein der Berliner Künstlerinnen e.V. (Hrsg.): Käthe, Paula und der ganze Rest. Ein Nachschlagewerk, Berlin 1992
  • Vollmer, Hans (Hrsg.): Allg. Lex. der bild. Künstler des XX. Jhs., Bd. 2, Leipzig 1955

Beitragsfoto:
Académie Colarossi (Paris) um 1896: Im Atelier Colarossi, Adele von Finck (mittig unten).


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Die Galerie „DER PANTHER“ – fine art

widmet sich hauptsächlich Werken des Deutschen Impressionismus, Expressionismus und der Klassischen Moderne.

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